Schmerzensgeldanspruch wegen Beleidigung - Ein Überblick Stinkfinger Mittelfinger Hand

Schmerzensgeldanspruch wegen Beleidigung – Ein Überblick

Wir geben einen Überblick über den Schmerzensgeldanspruch wegen Beleidigung.

Beleidigungen kommen ständig im Alltag vor, insbesondere im Straßenverkehr nach einem Verkehrsunfall. Laut statista wurden im Jahr 2020 240.575 Beleidigungen in Deutschland polizeilich erfasst. Im Überblick macht sich die aussagende Person durch eine solche Beleidigung nicht nur strafbar, sondern es kann auch zu rechtlichen Folgen im Zivilrecht kommen, insbesondere einem Schmerzensgeldanspruch. Dieser soll eine Ausgleichs– oder auch Genugtuungszahlung darstellen. Dabei stellen sich vor allem folgende Fragen: Wann steht mir ein solcher Anspruch zu und in welcher Höhe? Kann ein Gericht wirklich bei einer Beleidigung einen Anspruch in genauen Centbeträgen festlegen?

Schmerzensgeldanspruch wegen Beleidigung - Anspruchsgrundlage

Infolge der Beleidigung kommt es zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Anspruchsgrundlagen können sowohl § 823 I BGB i.V.m. Art. 1 I, 2 I GG als auch § 1004 BGB analog sein.

Das Schmerzensgeld ist in § 253 BGB geregelt. Dort wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht ausdrücklich genannt. Das Bundesverfassungsgericht stützt sich daher auf Art. 1, 2 GG.

Definition: Beleidigung

Die Beleidigung wird definiert als die Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung. Es handelt sich nicht mehr um eine Aussage, die von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, denn es geht gerade um die gezielte Herabwürdigung einer Person. Nicht nur verbale Ausdrücke sind erfasst, sondern auch nonverbale Tätigkeiten, wie das Zeigen des Mittelfingers oder das Anspucken infolge des ausgelösten Ekels.

Keine Beleidigung bei…

… Äußerungen im familiären Kreis. In diesem privaten Umfeld sind emotionale Auseinandersetzungen zulässig.

… Aussagen, die in einem privaten Gespräch mit einer engen Kontaktperson geäußert wurden. Das Gespräch ist nicht für Dritte bestimmt, es handelt sich um den Schutz der Intimsphäre.

… sog. kollektiven Beleidigungen. Dabei handelt es sich um eine Beleidigung gegen eine große Gruppe, die nicht abgrenzbar ist. Es handelt sich eben gerade nicht um die Verletzung der Ehre einer individualisierten Person. Allerdings entschied das BVerfG (Beschl. v. 17.05.2016), dass dies anders zu bewerten sei, wenn der Personenkreis hinreichend überschaubar und auch abgrenzbar ist. 

Voraussetzungen der Beleidigung - Ein Überblick

Schmerzensgeld wird bei Beleidigungen nur ausnahmsweise erteilt. Erforderlich ist gerade eine gezielte verschmähende Aussage. Es ist eine Abwägung der Gesamtumstände erforderlich, die die Schwere des Eingriffs feststellt. Dabei sind die Voraussetzungen für einen Schmerzensgeldanspruch wegen Beleidigung im Überblick folgend dargestellt.

1. Allgemeines Persönlichkeitsrecht schwerwiegend rechtswidrig und schuldhaft verletzt

Das APR muss schwerwiegend rechtswidrig und schuldhaft verletzt sein. Dies ist insbesondere abhängig von Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, von Anlass und Beweggrund des Handelnden und dem Grad des Verschuldens (BGHZ 128, 1, bei Juris Rn 74). Nach dem BGH entfällt u.U. ein Anspruch auf Schmerzensgeld, wenn das Wohlbefinden nur kurzfristig und unerheblich beeinträchtigt wurde (BGH, NJW 1992, 1043). Gerade im Straßenverkehr begangene Schmähaussagen bewirken nicht ohne Weiteres einen darüberhinausgehenden Schmerz.

Nach dem OLG Stuttgart (Beschl. v. 22.05.2014, Az. 1 Ss 270/14) ist eine schwerwiegende APR-Verletzung „nicht der Fall, wenn die Beleidigung im Rahmen einer polizeilichen Diensthandlung begangen wird und die Amtsträgereigenschaft für sie erkennbar eine Rolle spielt.“

Das OLG Frankfurt (NJW-RR 2010, 403) nahm im Rahmen eines Falles mit wiederholten Beleidigungeneine schwerwiegende Verletzung an und führte dazu aus: „auch wenn eine einzelne Beleidigung innerhalb einer nachbarschaftlichen Auseinandersetzung noch nicht geeignet sein dürfte, eine Geldentschädigung nach sich zu führen, so kann sich doch eine wiederholte Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung kumulieren […]“.

Im Fall des AG Nürnberg (Urt. v. 13.11.2012, Az. 13 C 5958/12) wurde die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe den Kläger zu einem starken Bremsmanöver veranlasst, woraufhin dieser hupte. Der Beklagte streckte folglich den Mittelfinger raus. Begründet wurde die Klageabweisung damit, dass es sich um eine spontane Reaktion des Beklagten gehandelt habe. Es diene der Ermahnung. Eine schwerwiegende rechtswidrige und schuldhafte Verletzung des APR sei daher nicht gegeben.

Das AG Bremen (Urt. v. 29.03.2012, Az. 9 C 306/11) musste sich ebenfalls zu einem Schmerzensgeldanspruch wegen Beleidigung im Straßenverkehr als „Schlampe“ und „Hure“ äußern. Der Beklagte wurde zur Zahlung von 100€ Schmerzensgeld verurteilt. Das Gericht führte aus „Die Beleidigungen des Beklagten sind zwar aus Anlass einer eskalierenden Auseinandersetzung im Straßenverkehr begangen worden. Auch sind die Beleidigungen des Beklagten im Affekt und nicht vor einer Öffentlichkeit geäußert worden.
Die Beklagte war an dieser Auseinandersetzung als Beifahrerin jedoch gänzlich unbeteiligt. Sie wurde durch die diffamierenden Äußerungen als Frau herabgewürdigt und in ihrer Menschenwürde verletzt.“

Das LG Dresden (Urt. v. 11.07.2011, Az. 2 S 196/11) entschied „das Zeigen eines „Stinkefingers” im Straßenverkehr ist auch gegenüber einem Vollzugsbeamten kein schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht.“ „Es ist nicht zu verkennen, dass der Kläger als Bediensteter des Staates allenthalben Anfechtungen, Vorwürfen und gelegentlich auch beleidigenden Äußerungen ausgesetzt ist. In manchen Situationen, wie der hier der Klage zugrunde liegenden, muss man dies hinnehmen, ohne ein Schmerzensgeld verlangen zu können.“

Das AG Berlin-Mitte (Az. 116 C 45/14) verneinte einen Anspruch auf Schmerzensgeld. In dem Fall belehrte ein Polizeibeamter einen Verkehrsteilnehmer verkehrsrechtlich, woraufhin dieser die Scheibenwischer-Geste tätigte. Es fehle auch hier an der schwerwiegenden Verletzung des APR. Die Scheibenwischer-Geste komme oft im Straßenverkehr vor. Es drücke aus, dass man den anderen als schlechten Autofahrer ansehe. Beim Durchschnittsmenschen hinterlasse dies aber keinen bleibenden Eindruck.

2. Nicht auf andere Weise beseitigt

Dieses Kriterium ist eine erhebliche Einschränkung. So wird kein Schmerzensgeld mehr gezahlt, wenn der Täter strafrechtliche Sanktionen erleidet. Eine Kompensation des persönlichen Schadens und auch der präventive Zweck ist erfüllt worden.

Schmerzensgeldanspruch wegen Beleidigung - Überblick zur Anspruchshöhe

Die Höhe des Schmerzensgeldanspruch wegen Beleidigung ist einzelfallabhängig. Vorliegend haben wir Ihnen eine Schmerzensgeldtabelle zur Orientierung erstellt:

Aussage/nonverbales Verhalten

Höhe des Schmerzensgelds

Gericht, Datum, Aktenzeichen

Bespucken

626, 97€

AG Meppen, Urt. v. 25.04.2004

Bespucken

750€

AG Schwäbisch Hall, Az. 5 C 954/05

Rassistische Äußerungen („dunkler Affe“, „Negerpack“)

360€

AG Schwäbisch Hall, Az. 1 C 824, 94

Stinkefinger

100€

AG Bremen, Urt. v. 29.03.2012, Az. 9 C 306/11

Schwere Geringschätzung bei öff. Auftritten und im Internet

10.000€

LG Berlin, Urt. v. 15.11.2011, Az. 27 O 393/11

Vermieter bezeichnet Mieter als „Arschloch“, „Wichser“, „Hausbesetzer“

800€

LG Bonn, Beschl. v. 14.01.2020, Az. 6 T 17/10

 

Beleidigung einer Polizistin als Hure, Nutte und Schlampe

300€

AG Böblingen, Urt. v. 16.11.2006, Az. 3 C 1899/06

Mieterin beleidigt Nachbarin vor anderen Mitmietern als blöde Kuh, asoziales Pack, Hexe

 700€

OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 07.07.2009, Az. 16 U 15/09

Oliver Pocher in Sendung „Wetten, dass…?“ zu einer Frau „Du siehst ganz schön alt aus für dein Alter“

„Ja, wir haben übrigens eine schöne Operationsshow bei Pro 7, da könnte ich sie mal vorschlagen“

6.000€

LG Hannover, Urt. v. 11.01.2006, Az. 6 O 73/05

„Schlampe“ nach wechselseitiger Provokation

109, 64€

AG Bremen, Urt. v. 29.03.2012 Az. 9 C 306/11

Schmerzensgeld bei Beleidigung - Sinnvoll oder absurd?

Schaut man sich die Urteile aus der Rechtsprechung einmal genauer an, so fällt auf: wie kann es denn sein, dass das AG Meppen für das Bespucken einer Personen einen Anspruch bis auf den Cent genau feststellen kann? Wie kann es sein, dass für Beleidigungen wie „Negerpack“ 360€ Schadensersatz zu zahlen sind, aber für eine Beleidigung als „Arschloch“ mehr als das Doppelte von 800€? Kann man wirklich so genau zwischen diesen Aussagen differenzieren? Wieso kommt es dazu, dass das OLG Koblenz 1.000€ dem Kläger für eine Scheibenwischer-Geste zuspricht, während das AG Berlin-Mitte einen Schadensersatzanspruch bei der Scheibenwischer-Geste komplett verneint?

Ob das alles so genau auf den Cent bestimmt werden kann, und ob das alles wirklich einen roten Faden hat, scheint doch wirklich fraglich.  

Rechtsanwalt Dr. Krieg & Kollegen Köln

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