Außervollzugsetzung Corona Verodnung außer Vollzug Niedersachsen Dr. Krieg und Kollegen Covid19 Pandemie Welt

OVG Lüneburg kippt Corona-Schutzverordnung

Die Covid-19-Pandemie dominiert das gesellschaftliche Leben seit nunmehr knapp eineinhalb Jahren. Mitunter existieren seither in allen 16 Bundesländern Corona-Schutzverodnungen – Monat für Monat aufs Neue. Es ist daher nicht verwunderlich, dass innerhalb der Gesellschaft die Kritik an diesen Regelungen stets lauter wird und die Toleranz zunehmend schwindet.

Die Rechtssprechung ist davon nicht ausgenommen: So kam es gleich in mehreren Beschlüssen von Gerichten in Niedersachsen (und Bayern) zu einer teilweisen Außervollzugsetzung der aktuellen Corona-Schutzverordnungen. Eine Indizwirkung, die eine Klagewelle von Unternehmen wie EMS-/Fitnessstduios auslösen könnte. Doch was genau wurde bisher geschen und was kann man darauf ableiten?

Was bedeutet Außervollzugsetzung?

Grundsätzliches

Das in § 47 VwGO geregelte Normenkontrollverfahren, ermöglicht und verpflichtet ein Oberwaltungsgericht zugleich (in Bayern: bayrischer Verwaltungsgerichtshof)  die Vereinbarkeit von Rechtssätzen (z. B. Verordnungen) mit höherrangigem Recht zu überprüfen.

Konkret bedeutet es: Die jeweiligen Corona-Schutzverordnungen der Länder können dahingehend überprüft werden, ob Sie gegen das (höherrangige) Grundgesetz verstoßen. Wird festgestellt, dass ein Rechtssatz gegen höherrangiges Recht verstößt, so wird der Rechtssatz für unwirksam erklärt (§ 47 V 2 VwGO).

Einstweilige Anordnung

Durch eine Außervollzugsetzung wird die jeweilige Rechtsnorm vorläufig nicht vollzogen. Die jeweilige Rechtsnorm muss also erst einmal nicht mehr beachtet werden.

Dies hat den Zweck, dass verwaltungsgerichtliche Klageverfahren mehrere Monate oder auch Jahre dauern. Damit dem Betroffenen aber keine erheblichen Nachteile dadurch entstehen oder um diese zumindest abzumildern, wird dann eine vorläufige Entscheidung getroffen. Dabei orientiert sich das Gericht an den Erfolgsaussichten des späteren Hauptsacheverfahrens. Die Gründe für die Außervollzugsetzung müssen die entgegenstehenden Gründe deutlich überwiegen.

Wirkung der Außervollzugsetzung

Die Beschlüsse der Außervollzugsetzung wirken nicht nur zugunsten des jeweiligen Antragsteller im konkreten Verfahren, sondern haben eine allgemeinverbindliche Wirkung („inter/erga omnes“), § 47 V 2, VI VwGO.

OVG Lüneburg zu den Verordnungen

Zu einer der ersten Außervollzugsetzung der Corona-Verordnung kam es beim OVG in Niedersachsen mit Beschluss vom 18.05.2021 (Az. 13 MN 260/21). Nach der außer Vollzug gesetzten Regelung waren Beherbergungen im Sinne eines Urlaubs nur für solche Personen zulässig, die ihren Wohnsitz in Niedersachsen haben. Streitgegenständlich war § 8 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, die laut der Richter am OVG nicht nur gegen Art. 3 GG (Gleichheitsgrundsatz) und Art. 12 GG (Berufsfreiheit), sondern auch gegen Art. 2 I GG (allg. Handlungsfreiheit) verstoße.

Das OVG Lüneburg (Beschluss vom 08.06.2021 – 13 MN 298/21) wurde hinsichtlich des Verbots der Ausübung der Prostitution und der Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Prostitution in § 10c der niedersächsischen Corona-Verordnung tätig. Auch hier kam es zu einer Außervollzugsetzung von einer Corona-Verordnung.

Einerseits sei ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungssatz (Art. 3 GG) gegeben. Es bestehe eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber anderen körpernahen Dienstleistungen.

Zudem sei ein solches Verbot angesichts des Infektionsgeschehens nicht erforderlich. Es könnten vielmehr mildere Beschränkungen den Betreibern auferlegt werden, die den Gesundheitsschutz gleichermaßen fördern.

Das OVG Lüneburg setzte § 7f Abs. 2 S. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung außer Vollzug. Es begründete, dass ein grundsätzliches Schließen von Saunen bei einer 7- Tage-Inzidenz zwischen 35 und 50 nicht verhältnismäßig sei. Es ist schon die Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme zweifelhaft. Aber zumindest ist eine solche nicht angemessen. Die Schließung von Saunen stellt einen erheblichen Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) der Betreiber dar. Demgegenüber sind die Auswirkungen einer solchen Schließung von lediglich Saunen hinsichtlich des Infektionsgeschehens eher gering.

Zudem liegt ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungssatz aus Art. 3 I GG vor. Bei einer Inzidenz von 35 bis 50 müssen Saunen schließen, während Fitnessstudios und ähnliche Einrichtungen geöffnet bleiben dürfen. Dabei ist aber nicht erkennbar, dass von einer Sauna eine höhere Infektionsgefahr ausgeht wie von Fitnessstudios.

Auch nach diesem Beschluss des OVG Lüneburg bestehe ein Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) der Betreiber von Diskotheken, Clubs und ähnlichen Einrichtungen sowie Einrichtungen, in denen Shisha-Pfeifen zum Konsum angeboten werden.

§ 9 Abs. 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, der die Schließung oben genannter Einrichtungen vorsieht, greift schon bei einer 7-Tage-Inzidenz von 10. Die Rechtsgrundlage § 28a Abs. 3 IfSG sieht jedoch nur Inzidenzen von über 50, über 35 und unter 35 vor, jedoch nicht ab 10. Unter einer Inzidenz von 35 sei eine Schließung nicht erforderlich, es genügen die allgemeinen Regeln, wie z.B. die Masken- oder Testpflicht, die erkennbar weniger eingriffsintensiv sind, wie allgemeine Betriebsschließungen.

Zudem wies der Senat darauf hin, dass angesichts der weiter fortschreitenden Impfungen eine Anpassung der Schwellenwerte an die geänderte Gefährdungslage erforderlich sei. Die momentanen Schwellenwerte rechtfertigen einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff nur für eine sehr kurze Übergangszeit.

Beschlüsse vom 08.12.2021 – 13 MN 463/21 und 13 MN 464/21

Ein Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung der Regelung über die 2-G-Plus-Regelung bei der Nutzung von Sportanlagen wurde vom OVG Lüneburg abgelehnt. Auch hat das OVG Lüneburg die vorläufige Außervollzugsetzung von Zugangsbeschränkungen zu Diskotheken abgelehnt.

Beschluss vom 10.12.2021 – 13 MN 462/21

Auch der Antrag beim OVG Lüneburg gegen § 8a Abs. 4 S. 1 Hs. 2 Niedersächsische Corona-Verordnung hatte Erfolg. Danach war bei körpernahen Dienstleistungen die 2-G-Plus-Regel anzuwenden. Diese Regelung wurde ebenfalls vorläufig außer Vollzug gesetzt.

Ein Ausschluss von Ungeimpften von allen körpernahen Dienstleistungen sei unangemessen. Begründet wurde dies damit, dass das Infektionsrisiko hier gering sei. Es sei auf die wenigen anwesenden Personen beschränkt. Zudem würden eine Testpflicht, eine FFP2-Maske und das Erfassen der Kontaktdaten ausreichen.

Beschluss vom 16.12.2021 - 13 MN 477/21

Das OVG Lüneburg hat § 9a Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 23. November 2021, zuletzt geändert am 13. Dezember, vorläufig außer Vollzug gesetzt. In den Vorschriften war bestimmt, dass in den genannten Einrichtungen und Betrieben aus dem Bereich des Einzelhandels eine 2G-Regelung gilt.

Begründet wurde dies damit, dass diese Regelung nicht verhältnismäßig sei und damit insbesondere in die Grundrechte der ungeimpften Kunden und auch der Betreiber der Läden eingreife. Es bestehen an der Geeignetheit und auch an der Erforderlichkeit Zweifel. Der tägliche Kundenkontakt finde insbesondere im Lebensmitteleinzelhandel statt, der aber gerade nicht von der 2G-Regelung erfasst werde. Auch bestehen keine Feststellungen, dass sich gerade im Einzelhandel viele Menschen infizieren. Aufgrund der großen Unterschiede zwischen Sporteinrichtungen in geschlossenen Räumen und dem Einzelhandel (kürzere Aufenthaltsdauer, weniger Kunden, weniger face-to-face-Kontakt, etc.) sei auch eine Übertragung der dort geltenden Grundsätze nicht zu rechtfertigen. Eine Verpflichtung zur Tragung einer FFP2-Maske sei zudem milder. Weiterhin sei auch eine Verletzung von Art. 3 I GG gegeben. So seien keine sachlichen Gründe gegeben, dass Baumärkte der 2G-Regel unterliegen, dagegen aber der Blumenhandel nicht.

Andere Bundesländer zur Verordnung & Außervollzugsetzung

Auch in anderen Bundesländern kommt es zur Außervollzugsetzung der jeweiligen Verordnung im Rahmen von Corona. Der Bayerische VGH mit Beschluss vom 23.07.2021 (Az. 25 NE 21.1832) setzte § 15 Abs. 2 S. 1 der Dreizehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vorläufig außer Vollzug. Auch hier sei ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG und ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG gegeben. 15 Abs. 2 S. 1 13. BayIfSMV stelle eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung von Schankwirtschaften, die in geschlossenen Räumen zu schließen sind, im Verhältnis zur Zulassung des Betriebs von Speisewirtschaften in geschlossenen Räumen dar.

Das OVG in Sachsen hat dagegen den Antrag eines Fitnessstudiobetreibers auf vorläufige Außervollzugsetzung von § 13 Abs. 1 SächsCoronaNotVO abgelehnt. Darin war geregelt, dass für den Publikumsverkehr die Öffnung von Fitnessstudios untersagt sei.

Dagegen hatte der Antrag eines Betreibers von Wettannahmestellen Erfolg. Er beantragte, § 11 Abs. 3 SächsCoronaNotVO außer Vollzug zu setzen. Darin war geregelt, dass auch Wettannahmestellen für den Publikumsverkehr geschlossen seien. Hierin sah das Gericht einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, denn ein sachlicher Grund, dass Lottoannahmestellen in Tankstellen für den Publikumsverkehr geöffnet seien, bestehe nicht.

Weitere OVGs zur 2-G-Regelung im Einzelhandel - keine Außervollzugsetzung der Verordnung

Das OVG Schleswig-Holstein (Beschl. v. 14.12.2021, Az. 3 MR 31/21), das VG Berlin (Beschl. v. 23.12.2021, Az. VG 14 L 632/21), das OVG Saarland (Beschl. v. 20.12.2021, Az. 278/21 und 2 B 289/21) und das OVG NRW (Beschl. v. 22.12.2021, Az. 13 B 1858/21 NE) dagegen beanstandeten im Gegensatz zum OVG Lüneburg die 2-G-Regel im Einzelhandel nicht. Es kam zu keiner Außervollzugsetzung der jeweiligen Verordnung im Zusammenhang mit Corona. 

Es sei keine Unverhältnismäßigkeit gegeben. Es werde durch die 2-G-Regelung Leben und Gesundheit geschützt. Eine Testpflicht und das Tragen einer FFP2-Maske sei nicht geeignet. Die Betreiber könnten ihre Waren weiterhin eine Vielzahl an Kunden anbieten. Außerdem sei auch keine Ungleichbehandlung gegeben, denn eine Differenzierung nach dem täglichen Grundbedarf sei vertretbar. Ebenfalls sei eine Schutzimpfungein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung von Geimpften und Nichtgeimpften.

Außervollzugsetzung & Corona - Auswirkungen für die EMS-/Fitnessstudiobranche

Es ist damit zu rechnen, dass es in weiteren Bundesländern zur Außervollzugsetzung der jeweiligen Verordnung im Zusammenhang mit Corona kommt. Vor allem ist fraglich, wie man solche Menschen behandelt, die eben vollständig geimpft sind. 

Das sieht für Unternehmen, wie Fitnessstudios und auch EMS-Studios vielversprechend aus!

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