BGH - Mietminderung bei Betriebsschließung aufgrund von Corona Schild Laden Geschlossen Closed Stadt Haus Fenster

Betriebsschließung wegen Corona & Mietminderung – keine pauschale 50/50-Lösung

Haben Gewerbemieter einen Anspruch auf Mietminderung bei Betriebsschließung wegen Corona? Der BGH hat am 12. Januar 2022 (Az. XII ZR 8/21) das Urteil zur Gewerbemiete bei coronabedingter Geschäftsschließung veröffentlicht. Der BGH hat vorliegend das Urteil des OLG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

Nach dem BGH komme für den Gewerbemieter bei einer Betriebsschließung aufgrund von Corona grundsätzlich ein Anspruch auf Mietanpassung gemäß § 313 Abs. 1 BGB in Betracht – es besteht aber keine Pflicht für den Vermieter bei der Betriebsschließung wegen Corona eine Mietminderung im Rahmen einer pauschalen 50/50-Lösung zu akzeptieren.

Landgericht Chemnitz – 4 O 639/20, Urt. vom 26.08.2020

Das Landgericht Chemnitz verurteilte die Beklagte auf Zahlung der Miete in einer Höhe von 7.854.000€. Ein Recht auf Mietminderung nach § 536 BGB bestehe nicht. Auch sei die Gebrauchsüberlassung nicht nach § 275 BGB unmöglich. Damit ist die Gegenleistung, die Miete, auch nicht nach § 326 I BGBentfallen. Die behördlichen Maßnahmen fallen in den Risikobereich des Mieters. Die Nutzung des Objekts sei weiter möglich. Dagegen bestehe aber eine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 I BGB. Allerdings sei ein Festhalten an der normalen Miethöhe für den Mieter nicht unzumutbar, sodass eine Vertragsanpassung gem. § 313 I BGB nicht in Betracht komme. Es sei nicht existenzgefährdend.

Oberlandesgericht Dresden - 5 U 1782/20, Urt. vom 24.02.2021

Das Oberlandesgericht dagegen verurteilte die Beklagte lediglich zu 3.720,09€. Begründet wurde dies mit § 313 I BGB. Es bestehe eine Störung der Geschäftsgrundlage durch die Schließungsanordnung in der Allgemeinverfügung. Dadurch sei der Vertrag anzupassen. Eine existenzgefährdende Lage sei nicht notwendig. Es genüge eine sog. Äquivalenzstörung zwischen Gebrauchsüberlassung und Mietzahlungspflicht. Diese müsse aber andauern und nicht nur unerheblich sein. Die Erheblichkeit sei gegeben, denn die Schließung dauere zwei Monate – nach mietrechtlichen Wertungen genüge dies auch für eine außerordentliche Kündigung nach § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB. Die Kaltmiete sei damit um die Hälfte zu reduzieren. Auch nach der Ansicht des OLG sei sowohl § 536 BGB als auch § 275 BGB nicht gegeben.

Urteil des BGH

Mietminderung wegen Betriebsschließung durch Corona - Keine Pauschallösung

Eine pauschale Senkung der Kaltmiete um 50% sei nach BGH nicht möglich. Es wird vielmehr „eine konkret auf den Einzelfall bezogene Abwägung aller relevanten Umstände erfordert, die nicht durch eine pauschale Aufteilung der Miete ersetzt werden kann.“

Corona - Störung der Geschäftsgrundlage

In Betracht könnte ein Anspruch auf Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB kommen.

Corona - 1. Reales Element

Die Geschäftsgrundlage habe sich durch die Corona-Pandemie schwerwiegend verändert. Bei Abschluss des Vertrages ging keine der beiden Parteien davon aus, dass es zu einer Pandemie kommen werde und damit erhebliche Eingriffe in den Betrieb des Mieters verbunden seien und damit auch eine eingeschränkte Nutzung der Mieträume. Es sei damit die sog. große Geschäftsgrundlage betroffen. Der BGH beschreibt dies: „die Erwartung der vertragschließenden Parteien, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen eines Vertrags nicht etwa durch Revolution, Krieg, Vertreibung, Hyperinflation oder eine (Natur-)Katastrophe ändern und die Sozialexistenz nicht erschüttert werde“.

Dies werde vor allem durch Art. 240 § 7 EGBGB unterstrichen, denn dieser vermutet, „dass sich ein Umstand im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat, wenn vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar sind“.

Corona - 2. hypothetisches Element

Es konnte auch davon ausgegangen werden, dass die Parteien den Mietvertrag mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten, wenn sie die mögliche Pandemie gekannt hätten.

Corona - 3. normatives Element

Weiterhin ist erforderlich, dass dem betroffenen Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. § 313 Abs. 1 BGB ist nicht anzuwenden, wenn die Umstände in den Risikobereich einer Person fallen. Eine pandemiebedingte Schließung fällt aber nicht allein den Risikobereich des Mieters.

Grundsätzlich trägt zwischen Mieter und Vermieter zwar der Mieter das Verwendungsrisiko hinsichtlich der Mietsache. Doch „beruht die enttäuschte Gewinnerwartung des Mieters jedoch auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie wie einer Betriebsschließung für einen gewissen Zeitraum, geht dies über das gewöhnliche Verwendungsrisiko des Mieters hinaus (vgl. OLG München NJW 2021, 948, 951 f.; KG GE 2021, 570, 572; Häublein/Müller NZM 2020, 482, 487; Streyl NZM 2020, 817, 822; Warmuth COVuR 2020, 16; 20; Römermann NJW 2021, 265, 268). Die wirtschaftlichen Nachteile, die ein gewerblicher Mieter aufgrund einer pandemiebedingten Betriebsschließung erlitten hat, beruhen nicht auf unternehmerischen Entscheidungen oder der enttäuschten Vorstellung, in den Mieträumen ein Geschäft betreiben zu können, mit dem Gewinne erwirtschaftet werden. Sie sind vielmehr Folge der umfangreichen staatlichen Eingriffe in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie, für die keine der beiden Mietvertragsparteien verantwortlich gemacht werden kann.Es habe sich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht.

Die Unzumutbarkeit für den Mieter muss aber in einer weiteren auf den Einzelfall bezogenen Abwägungfestgestellt werden. Dabei sind die Nachteile für den Mieter durch die Schließung des Geschäfts und auch die Dauer der Schließung zu beachten (v.a. Umsatzrückgang). Dem stehen aber auch die Vorteile des Mieters gegenüber, die er aus staatlichen Mitteln erhalten hat. Einer tatsächlichen Existenzgefährdung des Mieters bedarf es aber nicht. Die Vermieterinteressen sind bei der Einzelfallabwägung ebenfalls einzubeziehen.

Das OLG muss nun prüfen, ob die Nachteile für den Mieter eine Unzumutbarkeit rechtfertigen.

Kein Anspruch auf Mietminderung aufgrund Betriebsschließung wegen Corona aus Mietrecht

Auch ein Mangel der Mietsache nach § 536 Abs. 1 BGB bestehe nicht. Dadurch sei auch kein Anspruch auf Mietminderung aufgrund einer Betriebsschließung wegen Corona nach dieser Vorschrift gegeben. Die Beschränkung des Gebrauchs der Mieträume stehe nicht in unmittelbaren Zusammenhang mit der Beschaffenheit, der Lage oder aber dem Zustand der Mietsache, sondern knüpfe an den Geschäftsbetriebdes Beklagten als Mieterin an. Die Mietsache stehe weiterhin zum vereinbarten Mietzweck zur Verfügung. Auch aus der Vereinbarung „Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts für Textilien aller Art, sowie Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs“ ergebe sich kein Mangel nach § 536 Abs. 1 S. 2 BGB. Aus Sicht des Vermieters sei darin keine unbedingte Einstandspflicht zu sehen.

Kein Ausschluss nach Art. 240 § 2 EGBGB

Ein Ausschluss nach Art. 240 § 2 EGBGB bestehe nicht. Sowohl der Wortlaut als auch der Zweck der Vorschrift sollen lediglich eine mögliche Kündigung durch den Vermieter beschränken. Eine Aussage zur Mietzahlungspflicht wurde hier nicht getroffen.

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