Regelungen zum Nachbarrecht durch Bundes- und Landesgesetz
Die §§ 905ff. BGB enthalten Regelungen des Bundes zum Nachbarrecht. Zwar können auch die Länder Regelungen treffen, doch besteht so die Gefahr des Widerspruchs zwischen diesen Normen.
Die Bundesländer haben unterschiedliche Regelungen zu den Abstandsgrenzen. Alle haben Vorschriften zu Mindestabstandsflächen normiert. Dabei stellt sich die Frage, ob solch unterschiedliche Regelungen überhaupt sinnvoll sind? Wieso soll in einem Bundesland der Abstand 3m betragen, während er in einem anderen Bundesland 2,5m beträgt? Es würde doch vielmehr eine einheitliche bundesrechtliche Vorschrift genügen.
Im vorliegenden Fall beim BGH zum Nachbarrecht hing die Entscheidung von der Verfassungskonformität des Landesgesetz § 23a NRWNachbG ab. § 23a NRW Abs. 1 S. 1 NachbG lautet:
„Der Eigentümer bzw. die Eigentümerin eines Grundstücks hat die Überbauung seines bzw. ihres Grundstücks aufgrund von Maßnahmen, die an bestehenden Gebäuden für Zwecke der Wärmedämmung vorgenommen werden, zu dulden, wenn diese über die Bauteileanforderungen in der Energieeinsparverordnung vom 24. Juli 2007 (BGBl. I S. 1519), geändert durch Verordnung vom 29. April 2009 (BGBl. I S. 954), in der jeweils geltenden Fassung nicht hinausgeht, eine vergleichbare Wärmedämmung auf andere Weise mit vertretbarem Aufwand nicht vorgenommen werden kann und die Überbauung die Benutzung des Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt.“
BGH zum Nachbarrecht – Landesgesetz zur grenzüberschreitenden Dämmung
Der BGH ist der Ansicht, dass das private Nachbarrecht unter Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG falle und damit eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes bestehe. Das heißt, dass Länder nur eine Gesetzgebungskompetenz haben, solange und soweit der Bund von seiner nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Es darf keine erschöpfende Regelung des Bundes vorliegen. § 912 BGB regelt den Überbau. Dabei normiert aber Art. 1 Abs. 2 EGBGB, dass landesgesetzliche Vorschriften in Kraft bleiben und neue erlassen werden können, soweit dies im EGBGB bestimmt ist. Ein solche Bestimmung besteht in Art. 124 EGBGB.
Dieser lautet: „Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, welche das Eigentum an Grundstücken zugunsten der Nachbarn noch anderen als den im BGB bestimmtenBeschränkungen unterwerfen. Dies gilt insbesondere auch von den Vorschriften, nach welchen Anlagen sowie Bäume und Sträucher nur in einem bestimmten Abstand von der Grenze gehalten werden dürfen.“
Es ist umstritten, ob § 23a NRWNachbG zu den „anderen…Beschränkungen“ zählt. Nach dem BGH sei § 23a NRWNachbG von der landesrechtlichen Gesetzgebungskompetenz erfasst.
Landesgesetz: Normzweck und Tatbestand maßgebend
Der BGH formuliert: „Das Landesrecht darf Beschränkungen vorsehen, die dieselbe Rechtsfolge wie eine vergleichbare nachbarrechtliche Regelung des Bundes anordnen, aber an einen anderen Tatbestandanknüpfen und einem anderen Regelungszweck dienen; allerdings muss dabei die Grundkonzeption des Bundesgesetzes gewahrt bleiben.“ Dies bedeutet, dass ein inhaltlicher Widerspruch nicht schon besteht, wenn dieselbe Rechtsfolge besteht. Nach dem Sinn und Zweck ist vielmehr auf den Zweck der Norm und den daraus folgenden Tatbestandsvoraussetzungen zu schauen. 23a NRWNachbG sollte nach seinem Wortlaut deutlich nur an die Konstellation des Überbaus wegen der Herstellung einer zeitgemäßen Dämmung anknüpfen, also nachträgliche Maßnahmen. § 912 BGB betrifft Grenzüberschreitungen bei Gebäudeerrichtung. „Landesrechtliche Normen dieser Art ändern gerade nichts daran, dass Neubauten – der Grundkonzeption des § 912BGB entsprechend – so zu planen sind, dass sich die Wärmedämmung in den Grenzen des eigenen Grundstücks befindet (so zu § 16a BlnNachbG Senat NZM 2017, 855Rn. 11 f.). Auch § 23a I 1 NRWNachbG regelt nur die nachträgliche Wärmedämmung von bestehenden Gebäuden und knüpft sogar ausdrücklich an die öffentlich-rechtlichen Vorgaben der Energieeinsparverordnung an.“
„Das Überbaurecht des § 912 BGB soll die Zerstörung wirtschaftlicher Werte verhindern, und zwar nicht nur im Individualinteresse des Überbauenden, sondern auch im volkswirtschaftlichen Interesse (Mugdan Materialien III, S. 156, 589). Die Beseitigung eines versehentlichen Überbaus bei der Errichtung eines Gebäudes lässt sich nämlich häufig nicht auf den überbauten Teil beschränken und soll nicht den Abriss eines Gebäudes bzw. Gebäudeteils nach sich ziehen. Deshalb hängt die Duldungspflicht maßgeblich von den mit dem Rückbau verbundenen Folgen ab (vgl. Senat NJW-RR 2009, 24 Rn. 9 f. mwN). Hinnehmbar erschien dem Gesetzgeber die Duldungspflicht nur, wenn dem Überbauenden weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt; er sollte keinen „unverdienten Vorteil“ erlangen und dem anderen Teil sollte keine „ungerechtfertigte Belästigung“ zugefügt werden (vgl. Mugdan Materialien III, S. 157, 588 f.).“
Bei § 23a NRWNachbG geht es dagegen darum, „ob im Nachhinein ein Abriss erfolgen soll oder nicht. Sie setzen früher an und sollen dem Grundstückseigentümer von vornherein einen bewussten und geplanten Überbau zu dem spezifischen Zweck der nachträglichen energetischen Gebäudesanierung ermöglichen, wenn die Grenzbebauung die Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks erforderlich macht (vgl. zu § 16a BlnNachbG Senat NZM 2017, 855 Rn. 11). Damit werden ebenfalls öffentliche Interessenverfolgt, aber andere als im Rahmen des § 912 BGB; die energetische Gebäudesanierung soll nämlich zur Energieeinsparung führen, die schon wegen der nunmehr durch das Klimaschutzgesetz vorgegebenen Verminderung von Treibhausgasemissionen im allgemeinen Interesse liegt.“
BGH - Landesgesetz materiell verfassungsgemäß
Bei der materiellen Verfassungsmäßigkeit wird die Norm als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums eingeordnet. Zudem sei die Norm verhältnismäßig. Dies wird dadurch gewährleistet, dass der Überbau die Grundstücksbenutzung nicht unwesentlich beeinträchtigen darf und ein finanzieller Ausgleich erforderlich ist, § 23a V NRWNachbG.
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