EMS-/ Fitnessstudios – Rechte und Pflichten während Corona
Wann und wo eine Wiedereröffnung von EMS-/Fitnessstudios wieder möglich ist bzw. die aktuelle Rechtslage überhaupt aussieht, interessiert nicht nur die rund zehn Millionen [Stand 2020; abgerufen am 01.06.2021] Mitglieder in deutschen Fitnessstudios. Vor allem Studiobetreiber – egal ob EMS-Studio, Einzelstudio oder Fitnesskette – freuen sich darüber, Ihren Mitgliedern den Zugang und das Training in den Räumlichkeiten wieder zugänglich zu machen.
Rechtslage - Wo und wann ist eine Wiedereröffnung für EMS-/Fitnessstudios möglich?
Hinweis: Hier finden Sie die aktuellen (Stand 01.06.2021) Verordnungen der Ländern. Landkreise und Städte können davon abweichende Verordnungen festgelegt haben. Seit dem 24. April 2021 gilt darüber hinaus die sog. Bundes-Notbremse, die schärfere Regelungen vorsieht, wenn ein Inzidenzwert von über 100 für drei in Folge besteht (vgl. § 28b Infektionsschutzgesetz). Sinkt der Inzidenzwert wieder unter 100, so treten die Verordnungen wieder in Kraft.
Beitragszahlungen in EMS-/Fitnessstudios
Im Rahmen der Wiedereröffnung von EMS-/Fitnessstudios stellt sich auch die Frage nach der Rechtslage bei Beitragszahlungen. Das Gesetz hat in den Fällen, in welchen eine Leistung nicht erbracht werden kann, eigentlich klare Lösungen.
Fitnessstudios schließen mit ihren Mitgleider Verträge, welche bestimmte Leistungen enthalten (z. B. Bereitstellung von Trainingsgeräten, Zugang zu Trainingsräumen etc.). Durch die behördlich angeordneten Schließungen konnten die Studiobetreiber in den jeweiligen Zeiträumen insbesondere den Zugang zu den Trainingsräumen nicht ermöglichen. Mithin ist diese Leistung für den Studiobetreiber gemäß § 275 I BGB ungmöglich geworden.
Die Konsequenz daraus ist, dass gemäß § 326 I 1 Alt. 1 BGB die Gegenleistung – der Monatsbeitrag – nicht mehr geschuldet ist, und ferner gemäß § 326 IV BGB eine bereits erbrachte Gegenleistung zurückzuerstatten ist. Ergo kann jeder, der seine Monatsbeiträge im voraus gezahlt hat, diese für die jeweiligen Monate von den Studiobetreibern zurückfordern.
Viele Betreiber von EMS-/Fitnessstudios haben für die jeweiligen Monate der Schließung erst gar keine Beiträge berechnet bzw. bei offenen Forderungen diese Positionen bereits herausgerechnet.
Aktuelle Rechtslage: Gutscheinlösung
Eine Änderung der Rechtslage gab es vor allem bei der Einführung der sog. „Gutscheinlösung“ (Art. 240 § 5 Abs. 1 EGBGB), die auch bei der Wiedereröffnung von EMS-/Fitnessstudios die Betreiber ermächtigt, ihren Mitgliedern „anstelle einer Erstattung“ des Eintrittspreises bzw. des Nuzungsentgeltes einen „Gutschein zu übergeben“.
Diese sog. Ersetzungsbefugnis modifiziert den Rückzahlungsanspruch der Mitglieder insoweit, dass EMS-/Fitness-Studiobetreiber – als Schuldner der Rückzahlungsverpflichtung – die Möglichkeit haben die eigentlich sofort fällige Rückzahlungsverpflichtung gemäß § 326 BGB bis zum 31. Dezember 2021 aufzuschieben (vgl. Art. 240 § 5 Abs. 5 Nr. 2 EGBGB; MüKo/Busche, 2021, EGBGB, Art. 240 § 5 Rn. 28-19).
Ausnahmsweise können die Gutscheine bereits vorher ausgezahlt werden, besonders rechtfertigende Umstände vorliegen. Etwa, wenn jemand existenziell wichtige Lebensunterhaltskosten wie Miet- oder Energierechnungen nicht zahlen kann.
Ausnahme von dieser Rechtslage:
Enthält der Vertrag Vereinbarungen darüber, was im Falle der Absage einer Veranstaltung erstattet wird, sind diese für den Erstattungsbetrag maßgebend und die Regelung des Art. 240 § 5 EGBGB nicht anwendbar(vgl. MüKo/Busche, 2021, EGBGB, Art. 240 § 5 Rn. 28; BeckOK BGB/Voit, EGBGB, Art. 240 § 5 Rn. 11 – 15)
Vertragsverlängerung in EMS-/Fitnessstudios
Im Zuge der COVID-19-Pandemie wurde immer häufiger die Frage gestellt, ob eine Vertragsverlängerung gemäß § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) möglich sei. Dabei soll sich im Ergebnis das bereits bestehenden Vertragsverhältnis um die Dauer der behördlich angeordneten Schließung verlängern.
Auch die Rechtsprechung hat sich im vergangenen Jahr mit dieser Frage beschäftigen müssen.
Vertragsverlängerung in EMS-/Fitnessstudios nicht möglich
Vertragsverlängerung in EMS-/Fitnessstudios möglich
Wie man sieht wird die Rechtslage in dieser Frage im Rahmen der Wiedereröffnung von EMS-/Fitnessstudios noch einer höchstrichterlichen Entscheidung bedürfen. Bei Durchsicht der Urteile stellt man fest, dass die Frage selbst in der Rechtsprechung nicht einheitlich geklärt ist, und beiden bisher vertretenen Ansichten gute Gründe zugrunde liegen – von „Fehlurteilen“ kann hier nicht gesprochen werden.
Bewertung
Die Entscheidung des Landgericht Würzburg steht schon daher zwischen den Stühlen, da diese in einem wettbewerbsrechtlichen Kontext ergangen ist, in der von dem Gericht festgestellt worden ist, dass die Möglichkeit einer Vertragsanpassung aufgrund der unklaren Situation nicht ausgeschlossenen werden darf – eine weitere Auseinandersetzung mit der Thematik ist aber nicht erfolgt. Es wurde explizit auf eine Klärung durch die Zivilgerichte verwiesen.
Bei den anderen – pro und contra – Entscheidungen der Gerichte, handelt es sich um erstinstanzliche Urteile. D. h. die Gerichte müssen die Möglichkeit der Berufung erst einmal überhaupt zulassen, damit man gegen ein ergangenen Urteil vorgehen kann. Dies ist nicht immer möglich (§ 511 ZPO). Insbesondere bei geringen Streitwerten (unter 600 €), kann eine Berufung gegen das Urteil nicht zugelassen sein. Typischerweise handelt es sich bei Fittnessstudio-Beiträgen oftmals um kleinere Beträge.
Gründe contra Vertragsanpassung
Gründe pro Vertragsanpassung
- dass man sich rechts-dogmatisch auf den Standpunkt stellt, dass bei Vorliegen von Unmöglichkeit (§ 275 BGB) der Anwendungsbereich des § 313 BGB ausgeschlossen ist (vgl. Amtsgericht Schöneberg, Urteil vom 06.05.2021 - Az. 13 C 99/20; BT-Drs. 14/6040 S. 176; MüKo/Ernst, BGB, § 275 R. 19; NK-BGB/Dauner-Lieb, BGB, § 275 Rn. 37),
- dass eine Vertragsanpassung aufgrund der Umstände des Einzelfalls für eine Partei (hier für das Mitglied) nicht zumutbar ist (vgl. Amtsgericht Papenburg, Urteil vom 18.12.2020 - Az. 3 C 337/20) und
- dass sich der Grundsatz "pacta sunt servanda" (Verträge sind einzuhalten) derart manifestiert, dass eine einseitige Vertragsanpassung nicht möglich sein soll, vielmehr es sich um einen gegenseitigen Vertrag mit fester Vertragslaufzeit und fester Kündigungsfrist handelt (Amtsgericht Döbeln, Urteil vom 15.03.2021 - Az. 3 C 878/20).
- dass eine Vertragsanpassung aufgrund der Umstände des Einzelfalls für eine die Parteien zumutbar ist (Amtsgericht Ibbenbüren, Urteil vom 27.11.2020 - Az. 3 C 300/20; Amtsgericht Torgau, Urteil vom 20.08.2020 - Az. 2 C 382/19; Amtsgericht Zeitz, Urteil vom 01.12.2020 - Az. 4 C 112/20)
- dass eine Vertragsanpassung eine sinnvolle Lösung im Zusammenhang mit der gesetzgeberische Schaffung des Art. 240 § 5 EGBGB darstellt. Die Annahme der Unzumitbarkeit einer Vertragsverlängerung würde denjenigen, der bereits gezahlt hat, auf den Gutschein verweisen, und denjenigen, der nicht bezahlt hat, von der Zahlung freisprechen (Amtsgericht Zeitz, Urteil vom 01.12.2020 - Az. 4 C 112/20)
Einschätzung der Rechtslage von Dr. Krieg & Kollegen Köln
Es ist nicht klar erkennbar, warum es nicht doch möglich sein soll, einen Vertrag, in welchem eine Leistungspflicht einer Partei gem. § 275 BGB unmöglich geworden ist, so anzupassen, dass diese wieder möglich wird – und zwar zu einem anderen Zeitpunkt.
Wir stellen uns auf den Standpunkt, dass jedenfalls die Anwendbarkeit des § 313 BGB gegeben ist und für jeden Einzelfall gesondert entschieden werden muss, ob die Umstände des Einzelfalls für die Vertragsparteien zumutbar sind.
Infolgedessen kann das gerichtliche Vorgehen vor einem örtich und sachlich zuständigen Amtsgericht sowohl ein Plus als auch ein Minus für den EMS-/Fitnessstudiobetreiber darstellen, wenn es um die Durchsetzung des Anspruchs auf Vertragsanpassung gem. § 313 BGBgeht.
Die Aussicht auf Erfolg hängt somit im Wesentlichen von folgenden Faktoren ab:
- Umstände des Einzelfalls
- Rechtsauffassung des sachlich und örtlich zuständigen Gerichts
Update zur Vertragsverlängerung
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem Urteil vom 04.05.2022 (Az. XII ZR 64/21) entschieden, dass eine automatische Verlängerung der Mitgliedszeit – namentlich eine Vertragsanpassung – ausgeschlossen ist.
Rechtslage in EMS-/Fitnessstudios - kein Sonderkündigungsrecht
Nein. Es gibt für Mitglieder kein Sonderkündigungsrecht aufgrund der Schließung der EMS-/Fitnessstudios. Zudem liegt kein Verschulden seitens der EMS-/Fitnessstudiobetreiber vor.
Wiedereröffnung von EMS-/Fitnessstudios
Frequently Asked Questions (FAQ)
❓ Meine Mitglieder haben die Zahlungen bis jetzt zurückgehalten bzw. haben bereits im Voraus gezahlt
Stellen Sie Ihren Mitgliedern einen Gutschein, entsprechend der formalen Vorgaben aus und weisen Sie diese daraufhin, dass eine Rückerstattung erst ab dem 01.01.2022 erfolgen kann, es sei denn es liegen Gründe vor, die eine sofortige Rückzahlung rechtfertigen. Es dürfen dafür keine Kosten für das Mitglied anfallen. Diese müssten von dem jeweiligen Mitglied vorgetragen werden.
Verzichten Sie darüber hinaus nicht auf den Einzug der Forderungen und mahnen sie rückständige Beiträge an.
❓ Müssen meine Mitglieder im Rahmen der Wiedereröffnung der EMS-/Fitnessstudios in der aktuellen Rechtslage die Gutscheine aktzeptieren?
Es gibt kein Verweigerungsrecht für Ihre Mitglieder, den Gutschein, wenn er den gesetzlichen Bestimmungen entspricht, nicht anzunehmen. Dies gilt für alle Verträge, die vor dem 08.03.2021 geschlossen worden sind.
Der Gesetzgeber hat Veranstaltern/Betreibern kraft Gesetze ein einseitges Gestaltungsrecht zugewiesen, sodass das zugrundeliegende Schuldverhältnis – der EMS-/Fitnessstudiovertrag – nachträglich umgestaltet wird (vgl. § 262 BGB; MüKo/Busche, 2021, EGBGB, Art. 240 § 5 Rn. 28).
❓ Können Sie einseitig von Ihren Miglieder verlangen das Vertragsverhältnis um den Zeitraum der behördlich angeordneten Schließung nach Wiedereröffnung zu verlängern?
Die Möglichkeit der Vertragsverlängerung wird zwar – wie oben gezeigt – durch einige Gerichtsurteile bestätigt. Es bedarf jedoch in jedem Fall ein gesonderten Prüfung des Einzelfalls, um feststellen zu könnnen, ob eine Vertragsanpassung angemessen ist oder nicht. Sie sollten unbedingt einen fachkundigen Rechtsanwalts kontaktieren, der sich Ihrer Sache annimmt. Wir stellen uns auf den Standpunkt, dass die Möglichkeit der Vertragsanpassung grundsätzlich eröffnet ist.
❓ Sollte ich als Betreiber eines EMS-/Fitnessstudios es in der aktuellen Rechtslage auf einen Rechtsstreit vor Gericht ankommen lassen?
Jeder Prozess birgt das Risiko, dass ein Urteil zugunsten bzw. zulasten einer Partei ergehen kann, sowie das finanzielle Risiko – insbesondere im Falle des Unterliegens – in Form von Gerichts- und Anwaltskosten.
Infolgedessen kann das gerichtliche Vorgehen vor einem örtlich und sachlich zuständigen Amtsgericht sowohl ein Plus als auch ein Minus für den EMS-/Fitnessstudiobetreiber darstellen, wenn es um die Durchsetzung des Anspruchs auf Vertragsanpassung gem. § 313 BGBgeht.
Unseres Erachtens kommt zumindest die Möglichkeit der Vertragsanpassung in Betracht.
Dr. Krieg & Kollegen - Inkasso, Forderungsmanagement und Rechtsberatung für EMS-/Fitnessstudios
Als EMS-Branchenspezialist überzeugt die Kanzlei Dr. Krieg & Kollegen Rechtsanwälte mit fachlicher Expertise, moderner und flexibler Kommunikation sowie individuell ausgestalteten Lösungsmodellen für eine Vielzahl von Unternehmen.
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